1930-2020
©ÖHNER/KRALLER
Fotos von der Buchpräsentation in der Buchhandlung Herder am 13. Mai
Erschienen bei RESIDENZ VERLAG
RELIGIONEN
„Dieses Buch wurde während der Arbeit an einer Serie von Fernsehfilmen geschrieben. Das Thema der Filme, deren Autor ich bin, waren die sogenannten Weltreligionen – Judentum, Christentum, Islam, Hinduismus, Buddhismus. Dieser Gliederung folgt auch das Buch. Es enthält jene Informationen und Überlegungen zum Thema, die mir wichtig erschienen, als Ergebnis der zweijährigen Arbeit an den Filmen. Meine Erlebnisse und Begegnungen während der Reisen, die zur Verwirklichung des Projekts notwendig waren, haben mich in bestimmter Weise verändert, und deshalb habe ich einige meiner Erinnerungen im Buch festgehalten.
Was ich anstrebe, hat man am Beginn unseres Jahrhunderts »Wesensschau« genannt. Damit ist eine philosophische Haltung gemeint, die sich gegen das Versinken in all den Jahreszahlen, Fakten, historischen Abläufen, die von den einschlägigen Wissenschaften angehäuft werden, zur Wehr setzt und zum Kern der Sache vordringen will.
Im Fall der menschheitsprägenden Religionen liegt die Schwierigkeit darin, daß ihr Wesen sich der Beobachtung von außen hartnäckig entzieht. Ohne eigene Betroffenheit gibt es kein wirkliches Verstehen.
Vielleicht sollten wir uns zunächst an einige Religionsnachrichten erinnern, die in den letzten Jahren Schlagzeilen gemacht haben. An die 900 Toten von Jonestown in Guyana beispielsweise, Ende 1978, als eine sogenannte Sekte kollektiven Selbstmord beging. Oder an die Meldungen über die terroristischen Aktionen katholischer Ultras in Nordirland. An die islamische Revolution im Iran. An die Reisen des Papstes. An die Massaker unter den aus Bangladesch geflüchteten Moslems von Seiten der Hindus. Es mag schon sein, daß Religion bei uns, finanziert aus Kirchensteuergeldern, ihr zivilisiertes und apartes Dasein hat, in Kirchen, konfessionellen Verbänden und Bildungsanstalten; daß der öffentlichen Erörterung religiöser Themen, ob kirchlich oder wissenschaftlich inspiriert, journalistisch oder literarisch vorgebracht, seit geraumer Zeit jene Erregtheit abgeht, die den politischen und sexuellen Diskurs immer noch interessant macht, oder auch den sportlichen. Daß die Unterbrechungen der religiösen Stille im Lande durch »Fälle« wie den des Hans Küng die Ruhe danach um so fühlbarer werden lassen.
Rundherum jedoch, in Italien und auf den Philippinen, in der Türkei und den USA, in Afrika und der Karibik hat Religion ihr vulkanisches Wesen keineswegs verloren. Unser Ordnungsbedürfnis, ja unsere Moral wehren sich gegen viele dieser religiösen Lebens- und Todeszeichen in aller Welt, ihre Bizarrerien und Grausamkeiten, ihren Fanatismus und ihre Wildheit. Man möchte die schreienden Massen in Teheran, die Zungenredner im amerikanischen Mittelwesten, die Verrichtungen der Vaudu-Priester auf Haiti interpretieren und einordnen, die Irritationen abwehren, sich im Eigenen bestätigen.
Aber: Während wir uns Gedanken machen, Pillen gegen Depressionen schlucken, nach dem Sinn des Lebens fragen, sozialdemokratisch wählen und auf Urlaub gehen, lieben, krepieren, kämpfen und beten die Anderen auf ihre Weise und jedenfalls in aller Wirklichkeit von uns verraten und verkauft, ununterstützt und allein gelassen.
Die Anderen. Damit meine ich auch unsere lieben Alten, unsere Irren und Verbrecher, die Behinderten, die Prostituierten, die Fremdarbeiter, die Alkoholiker und Drogenschlucker, die Depressiven, die Einsamen, die Penner, die Rocker, die Künstler, die Alternativen und Meditativen, die Vegetarier, die Schwulen.
Also: Die abweichende Mehrheit.
Ihr denke ich mein Buch zu.“
Adolf Holl
Montag den 6.November 2023
um 19.00
Buchhandlung Herder
1010 Wollzeile 33
Anita Polak im Gespräch mit Walter Famler
© REINHARD ÖHNER
Buchpräsentation mit Christoph Kardinal Schönborn OP, Michael Köck OSB, Walter Hämmerle und Walter Famler.
05.06.2023, Erzbischöfliches Palais Wien
Bildergalerie von der Buchpräsentation im Erzbischöflichen Palais am 5.Juni 2023
Die Furche 22 . 1.Juni 2023
Die Presse, SPECTRUM 8.April 2023
Adolf Holl, Pablo Neruda und „Superjuden“
Lebenskunst – Begegnungen am Sonntagmorgen
Wenn sich Gerechtigkeit mit Großzügigkeit verschwistert, dann wird das Leben besser – Bibelessay zu Matthäus 20, 1-16 +++ Sympathie für einen „Kirchenrebellen“ – Adolf Holl und Christoph Kardinal Schönborn
Der STANDARD, 25.Jänner 2023
In den 14 Lektionen seines Buches „Mystik für Anfänger“ setzt Adolf Holl als Ziel die geläufige Beherrschung der Alltagsmystik in Wort und Schrift. Die Frage nach der Brauchbarkeit christlichen Wünschens führt Holl zum Schnittpunkt der alten und neuen Zeit, nach Assisi. Dort trifft er auf einen seltsamen Mann: einen fügsamen Rebellen und ernsthaften Schalk, einen engagierten Weltfremden und fastenden Lebenskünstler, einen ruhelosen Weisen und geselligen Bußbruder. „Franz unternimmt etwas“, so Holl,“ was man bei den Pfadfindern oder Sozialdemokraten, in staatlichen Schulen oder christlichen Elternhäusern ganz sicher nicht lernt: den sozialen Abstieg. Die Gesellschaft, zu der er sich hingezogen fühlt, ist die der Aussätzigen. Wenn er einmal bei einem Kardinal übernachtet, bekommt er schwere Angstzustände.“
Einführung: Walter Famler, Nachlassverwalter und Herausgeber der Adolf Holl-Werkausgabe
Vorträge & Statements: Horst Junginger, Religionswissenschaftler - Universität Leipzig, Thomas Macho, Philosoph - Kunstuniversität Linz,
Regina Polak, Theologin - Universität Wien
Moderation: Walter Hämmerle, Chefredakteur Wiener Zeitung
Eine Kooperation mit der Alten Schmiede und der Wiener Zeitung.
Fotos: © Georg Lemberg
NEUERSCHEINUNG
Anlässlich des Erscheinens des 3. Bandes der Werk-Ausgabe:
Adolf Holl-Symposium
"Mystik für Anfänger"
Donnerstag 27.Oktober 17.00
Loos-Räume der Wienbibliothek
1010 Bartensteingasse 9/5
Vorträge & Statements von Thomas Macho (Philosoph - Kunstuniversität Linz), Regina Polak (Theologin - Universität Wien) und Horst Junginger (Religionswissenschafter - Universität Leipzig)
Einführung: Walter Famler
Moderation: Walter Hämmerle (CHR Wiener Zeitung)
Wienbibliothek im Rathaus in Kooperation mit der
Alten Schmiede und der Wiener Zeitung.
Fotos von der Buchpräsentation
Zum Substanzverlust einer Weltreligion.
Ausgabe vom
Buchtipp:
Adolf Holl: "Tod und Teufel", Band 2 der Werkausgabe (Residenz Verlag 2022),
herausgegeben von Walter Famler, mit einem Nachwort von Peter Strasser.
Adolf Holls 33. Buch Leibesvisitationen erschien am 13. Mai 2021
in einer limitierten Auflage von 399 Stück, 333 davon nummeriert.
Die Leibesvisitationen sind in Wien auch in der
Buchhandlung Schaden, 1.Sonnenfelsgasse 3,
erhältlich.
Adolf Holls "Leibesvisitationen" als Livemitschnitt in der Wienbibliothek im Rathaus vom 18.05.2021
09 Nachtschicht: In memoriam Adolf Holl. Franz Haslinger und Josef Haslinger
mit Walter Famler. Anhören.
© ÖHNER/KRALLER
Alle Fotos aus dem Wespennest Sonderheft
Adolf Holl
Zwischen Wirklichkeit und Wahrheit
Der letzte Katholik
Adolf Holl zum ersten Todestag
Von Walter Famler
Am 23. Jänner vorigen Jahres verstarb in seinem neunzigsten Lebensjahr in Wien Döbling der Priester, Ketzer, Rebell, Publizist, Theologe, Schriftsteller und Gelehrte Adolf Holl im Haus seiner Lebensgefährtin, der Journalistin und langjährigen Spiegel-Korrespondentin Inge Santner. Am Schreibtisch in seiner Arbeitswohnung in der Hardtgasse 34 hinterließ er das Manuskript für sein 33. Buch. Überschrieben mit dem Titel „Leibesvisitationen“ umfasst es dreiundsiebzig auf seiner mechanischen Schreibmaschine getippte und von ihm selbst noch durchkorrigierte Seiten.
Begonnen mit der Niederschrift seines letzten Buches hat Holl im Dezember 2014. Bereits 2009 signalisiert er in einem Interview die Beschäftigung mit dem Thema: „Mich interessiert in letzter Zeit besonders der Umstand, dass wir im gesamten Abendland, im ganzen griechisch-römischen Philosophieren, keinerlei Tradition für eine eingehende und freundliche Auseinandersetzung mit unserer Endlichkeit und Körperlichkeit haben.“ In für seine Schreibweise typischer Manier zeugen die ersten Sätze der Leibesvisitationen noch einmal davon, wie Holls Denken und Schreiben sich aus Verdrängtem und gemeinhin oft als abseitig beurteiltem Wissen speist: „Dieses Buch schreibe ich als Richtigstellung vieler Dummheiten, die mir im Umgang mit meiner Leibhaftigkeit passiert sind. Dabei denke ich an einen längst verstorbenen Gesinnungsgenossen, den katholischen Priester, Arzt und Schriftsteller François Rabelais aus dem 16. Jahrhundert, der in vier ausschweifenden Büchern dem Ordinären Ausdruck verlieh, das er auf Jahrmärkten und Handelsmessen in Frankreich den Schaubudenbesitzern, Scharlatanen, Quacksalbern, Taschenspielern, Seiltänzern abgelauscht hatte. Das Leibhaftige erscheint bei Rabelais als Aufzählung von schmackhaften Speisen, von Kraftausdrücken für das Manneswerkzeug in guter und schlechter Verfassung, mundartlichen Varianten für die Benennung der Verdauungstätigkeit und Harnabsonderung, Termini aus den Bereichen der Folter und öffentlichen Auspeitschung, Verzeichnissen von Waffengattungen durchwirkt mit witzigen Verweisen auf die medizinische Fachliteratur.“ ......weiterlesen.